Samstag, 1. Oktober 2011

Das korrekte Verhalten des Musikers auf der Bühne

Gestern hatten der Beatman und ich wieder das Vergnügen, einem Konzert des legendären Karl Ratzer im Wiener Jazzland beizuwohnen.
Wer es nicht kennt: das Lokal ist auch eine Legende. Die größten und bedeutendsten Jazzmusiker der Welt haben hier schon gespielt. Das ist gut und schön - dennoch könnte das Interieur eine kleine Auffrischung vertragen, findet zumindest die Lady in mir.
Dass das Jazzland wirklich sehr klein ist, das kann man nicht ändern - und es hat auch etwas wirklich Besonderes, dass man den Künstlern so nahe ist, dass man ihnen die Noten umblättern oder das herabgefallene Schweißtuch reichen könnte. Auch das eigene Bierglas könnte ganz leicht für einen Schluck an den Pianisten weitergegeben werden, weil der Kellner zu lange auf sich warten läßt.
Was man aber ändern könnte, wäre eine bessere Frischluftzufuhr, eine gewissenhafte Totalreinigung, eine Erneuerung der völlig vergilbten Fotos an den Wänden und eine neue Beleuchtung !
Über der Bühne drei angebrachte Neonröhren, von denen Gott sei Dank zwei bereits den Dienst aufgegeben haben, setzen die Künstler wahrlich in "kein gutes Licht" !


Sollte die Lady jemals die Ehre haben, in diesen heiligen Hallen auftreten zu dürfen ( keine Angst, da wird sie eher als Lipizzaner durch die spanische Hofreitschule tänzeln ) - wird sie als erstes auf  Abschaltung dieser Neonröhre bestehen !
Aber zum Konzert: Karl Ratzer , ein weltberühmter Gitarrist, und das Fritz Pauer Trio : virtuose Könner mit Spaß an der Musik.
Fritz Pauer - ein ergrauter Sir am Bösendorfer Flügel .
Karl Ratzer - ein Genie, der die Musik bis in die Fingerspitzen fühlt - in seinem Herzen ,seinem Blut hat. Er ist kein feiner Sir, wenn wir ihn hier auch liebevoll "Sir Charles Ratzer" nennen - er ist einer von uns, der auch den Kontakt zu manchen sehr einfachen Menschen nicht scheut .
Doch gerade das fällt anscheinend  manchem Zuschauer schwer , richtig zu verstehen : derselbe, mit dem ich vielleicht noch vor ein paar Tagen sprechen durfte, ist plötzlich nicht hocherfreut, wenn ich ihm, mit vom Bier gelöster Zunge, meine Musikwünsche aus dem Zuschauerraum zurufe, oder mich lautstark mit meinem Nebenmann unterhalte, während er die schönsten Töne aus seiner Gitarre perlen lässt !
Was man als Zuschauer nie vergessen darf:  vielen Künstlern - und auch Karl Ratzer- wurde nicht nur vom Lieben Gott eine große Begabung in die Wiege gelegt, sondern auch die Besessenheit davon.
Wer so spielt, setzt sich nicht "nur mal so" auf die Bühne und spielt, weil er´s halt kann - da gehören Stunden und Jahre des Lernens, des Übens, des Zuhörens, des Leidens dazu.
Alleine die Summe der gesamten Repertoireliste , der Noten, der Texte , die sich im Laufe seines Musikerlebens angesammelt haben : auf Zuruf des als nächstes zu spielenden Titels durch den Bassisten, der die Setlist mit den Noten vor sich liegen hatte, begann er mit selbstverständlicher Leichtigkeit - in der richtigen Tonart, im richtigen Timing. Das verlangt jedoch höchste Konzentration und lebenslange Beschäftigung und Arbeit an der Musik - daher verständlich, dass jeder Auftritt für Karl Ratzer eine heilige Handlung ist.
Wer diese durch Bierzelt-Benehmen herabwürdigt, erfährt sofort eine grantige Abfuhr von "Sir Karl"! Auch dafür ist er bekannt und legendär !
Ich gebe ihm auch nach längerem Nachdenken recht: ein Künstler, der sein Herzblut auf der Bühne ausgießt, muß nicht auch noch freundlich und charmant sein, wenn man ihn herabwürdigt.

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