Sonntag, 30. November 2014

Und wieder steh´ich stumm und fassungslos...

Das Jahr 2014 hat erbarmungslos unter meinen Freunden gewütet - vor kurzem habe ich erfahren, dass auch meine Freundin Karin den Kampf gegen den Krebs verloren hat.
Somit ist sie die Dritte, die ich dieses Jahr loslassen musste.
Bei ihr schmerzt es auch am meisten, denn sie war lange Jahre meine "beste Freundin", wenn das auch bei mir und meinen Freundschaften nicht ganz die passende Wortwahl ist.
Wir haben uns vor vielen Jahren durch unsere damaligen Ehemänner kennengelernt, die sehr eng befreundet waren.
Karin und ich hatten einen holprigen Start, denn eines war von Anfang an klar: sie und ich waren im höchsten Maße unterschiedlich- und ihre undiplomatische Art hat mich gleich zu Beginn mit "nassen Fetzen" getroffen.
Ich bin bestimmt kein Süßholzraspler, aber ihre schroffe, raue Direktheit hat mich zuerst sehr verblüfft und erschreckt. Doch sehr schnell erkannte ich neben ihrer schonungslosen Ehrlichkeit auch ihren großen, herrlichen Humor und ihre unbedingte, grenzenlose Hilfsbereitschaft ihren Freunden gegenüber. Für jeden von uns, den sie einmal als Freund anerkannt hatte, wäre sie in den reissenden Fluss gesprungen, hätte sich eine Glatze geschoren oder sich gerne ein, zwei Beine brechen lassen.
Sie war einfach ein Riesenkerl.
In den ersten Jahren unserer Freundschaft haben wir viel zusammen erlebt und uns miteinander halbtot gelacht.
Nachdem bei beiden von uns die Ehen in die Brüche gegangen waren, sind wir die erste Zeit noch näher zusammen gerückt - und es gab nichts in unserem Leben, von dem die andere nichts wusste.
Wir haben zeitweise pro Tag 2-3x telefoniert und uns so viele e-mails geschrieben, dass ich zu meinem Direktor zum Rapport musste!
Nach und nach wurde jedoch unser Kontakt geringer - unsere Unterschiedlichkeiten wurden klarer und beide von uns schlossen neue Freundschaften, wir sahen uns seltener. Trotzdem blieb unsere Freundschaft, unsere Liebe unser gegenseitiger Respekt immer unantastbar.
Gerade dafür liebe ich sie besonders: obwohl ich wohl in ihren Augen ein "Püppchen" und eine "treulose Tomate" war, die nie als erste anrief, hat sie mich so gelassen und geliebt wie ich bin - und ich sie ebenso.
Als sie mich vor drei Jahren zu sich nach Hause einlud und mir in bekannt robuster Art ihre Diagnose "Lungenkrebs, unheilbar, Metastasen am Rückgrat" an den Kopf warf, war es natürlich ICH, die zusammenbrach und SIE diejenige, die "Unkraut verdirbt nicht" knurrte.
Ihre letzten Jahre hat sie sehr zurückgezogen, in bewundernswerter Ruhe und Abgeklärtheit gemeinsam mit ihrem ebenso bewundernswerten Freund verbracht.
Oft hat sie auf meine Fragen geantwortet: " Ich müsste lügen, wenn ich sagte, es geht mir schlecht. Ich habe keine Schmerzen, ich habe keine Angst, ich tue, was die Ärzte mir sagen und schaue, was morgen ist. Ich werde wahrscheinlich nicht alt - aber wer von uns weiß schon, wann er sterben wird? Ich weiß es auch nicht und auch keiner meiner Ärzte." Und dann ein grinsendes "Schau ma mal !"
Ein harter Knochen - immer gewesen.
Und dann: nur ein kurzer Brief - und alles ist vorbei und zu Ende.
Nächste Woche Doppelbegräbnis: denn sie und ihre Mutter sind innerhalb von zwei Tagen miteinander gegangen.

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